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Mi
27.06.2007
21:24 Uhr

Chronik einer Krankheit
Die wahrscheinlich schlimmste Zeit meines Lebens

Mittwoch, 19.01.2005:
meine Welt ist noch in Ordnung. War bis halb zwölf in der Galerie, keine Schmerzen, keine Vorahnung, keine Angst, nur Glück
Donnerstag, 20.01.2005:
Mein Wecker klingelt um halb sieben absichtlich zu spät, hab keine Lust nach Deggendorf zu fahren. Nur kurz aufgestanden, Papa bescheid gesagt und wieder hingelegt. Leicht Schmerzen im Bereich des Blinddarms: das wird schon wieder. Um viertel nach acht werd ich von Mama geweckt, soll mit ihr zum Tierarzt fahren. Die Schmerzen sind deutlich schlimmer, aber deshalb geh ich doch nicht gleich zum Arzt. Angezogen, geduscht, die Treppe runter gegangen, die Schmerzen sind wieder stärker geworden: ich glaub ich geh doch gern zum Arzt.
Im Wartezimmer halt ich’s nicht mehr aus, kann nicht mal mehr sitzen. Im liegen geht’s wieder. Dr. Blach ist nicht da, nur eine Vertretung (a Preiß no dazua!). Erster Verdacht Blinddarm: Mama hat`s gewusst. Aber wieso ist dann der rechte Hoden nach oben verschoben? Egal, der Arzt schiebt ihn wieder zurück, scheiße tut das weh!
Sofort ins Krankenhaus, gut dass Papa alle kennt, Chefarzt kommt zum anschaun *g* Werd stationär aufgenommen, na toll man ist begeistert! Ok, dann halt die üblich Prozedur: Blutabnahme, Urinprobe, etc. Aber was macht auf einmal der Urologe bei mir? Ausziehen! Gut wenn er meint! Er untersucht meine Hoden, hätt ich das gewusst hätt ich die Hose anbehalten! Lang keine solchen Schmerzen mehr gehabt! Diagnose: Hodentorsion. Was ist jetzt das schon wieder? Kurze Erklärung vom Doc: Hoden ist verdreht, kurze OP, danach ist alles wieder in Ordnung. Na gut, hätt eh nichts besseres zu tun. Kurz drauf lieg ich schon im OP – Saal. Dumme Frage ob ich örtliche Betäubung wünsche und zusehen will – bin doch kein Masochist. So viele schöne Schwestern im OP – Saal und sie wollen alle nur das eine vom mir, meinen Sa… kann den Gedanken nicht mal zu Ende führen, dann bin ich weg.
So hab ich mir das Aufwachen vorgestellt: man schlägt die Augen auf und der erste Blick trifft den Hintern einer schönen Schwester. Bin ich im Himmel? Die Antwort gibt mir der zweite Blick: lieg immer noch in einem Krankenbett – Erkenntnis: das ist nicht der Himmel. Aber wenigstens ist jetzt alles vorbei. Rede noch ein wenig mit den Schwestern (warum verdrehen die eigentlich alle die Augen wenn sie meinen Befund lesen?) und schon werd ich aufs Zimmer gebracht.
So eine OP ist anstrengend, also häng ich gleich noch mal zwei Stunden Schlaf dran. Bei meinem dritten Erwachen an dem Tag seh ich zuerst meine Eltern. Ok, damit kann ich leben. Sie erzählen mir dass der Doc dann gleich mit ihnen reden will. Hä? Bin doch wieder gesund, oder? Es vergeht eine ganze, quälende Stunde, was machen die denn? Dann kommen sie endlich wieder. Ich seh vom ersten Blick an dass was nicht stimmt – meine Mum war noch nie eine gute Schauspielerin. Meine Eltern versuchen es mir so schonend wie möglich bei zu bringen, dass es nicht klappt erklärt sich von selbst. Ich hab, bzw. hatte Hodenkrebs, denn wo kein Hoden mehr ist kann ja auch kein Krebs mehr sein, oder?
Der Rest des Tages sind Erklärungen vom Doc, Fragen über das wie und warum, geheule von allen Seiten (am meisten von mir!) und Gefühle die ich keiner Seele dieser Erde wünsche. An Schlaf ist in der Nacht nicht zu denken (hab ja auch tagsüber genug gepennt, ob`s damit was zu tun hat?)
Kurz: ein richtig beschissener Tag, vielleicht der schlimmste in meinem bisherigen Leben.
Freitag, 21.01.2005:
Um zehn nach sieben wird ich geweckt: Oh nö, das kann doch nicht förderlich für die Heilung sein! Frühstück ist genießbar aber daheim wär`s besser. Geh an dem Vormittag das erste mal nach der OP allein aufs Klo – mit Handtasche. Selten so etwas nerviges wie die Drenage gesehen. Später kommt Swety und nimmt mich mit zum Rauchen zusehen. Das mich die Zigaretten wenig interessieren war vorher klar, aber seh auch sonst nicht viel außer Kerstin. Wieso lieg ich eigentlich nicht auf der 2? Sauerei! Swety muss weiter arbeiten und ich mich weiter langweilen, bis mein Babe zu Besuch kommt. Sie ist die einzige außer meinen Eltern bei der ich es wage mich auszuheulen, und ich tus ziemlich ergiebig. Irgendwann gibt’s Mittagessen. Schwammerlsuppe mit Semmelknödel. Geil! Sieht aus wie daheim, schmeckt nur nicht so. Nach einem viertel Knödel muss ich aufhören, hab nicht genug zu trinken da, dass ich den ganzen versalzenen Teller runter bringen würd.
Nachmittags kommen noch da König und da Hirse vorbei und ich erzähl das erste mal die Geschichte die ich schon wenig später auswendig können werde: meine Geschichte, meine Chronik.
Samstag, 22.01.2005:
Mittlerweile hat sich`s rumgesprochen, auch dank Dammal, der, aus Langeweile oder warum auch immer nix besseres zu tun hatte als in der Galerie per Mikro einen Aufruf zu starten dass mich alle besuchen sollen. Er hätt mir schlimmeres Antun können! Bekomm nachmittags noch meine Drenage raus *freu* Endlich! Steffi hat mich vorgewarnt dass es weh tun wird und sie hat recht behalten. Aber hauptsache das Scheißding ist endlich weg.
Sonntag, 23.01.2005:
Glaub ich treib die Pfleger und Schwestern langsam zur Verzweiflung. Zu Spitzenzeiten ringen sich 14 Leute um mein Bett, über zu wenig Besuch kann ich mich nicht beschweren. Darum will ich auch nicht jeden einzelnen aufzählen, wären einfach zuviel. Aber es sind drei Menschen die mich beeindrucken: mein Babe, die zwar jeden Nachmittag arbeiten muss, aber dennoch täglich vormittags über eine Stunde an meinem Bett sitzt und mir zuhört. Da Dammal, der von den Leuten von der Galerie mit Abstand am meisten bei mir ist. Sowas nenn ich einen Freund. Und zu guter letzt: der Reitberger Daniel, mit dem ich zwar so eigentlich nicht so viel zu tun hab, der mich aber dennoch drei mal besucht und nicht müde wird sich zu erkundigen wie es mir geht. Respekt!
Montag, 24.01.2005:
Zeit das Essen zu beurteilen: Mittags war ja bis auf Freitag durchaus genießbar, aber vorm Abendessen muss man schon fast Angst haben. Immerhin erreicht mich schon wieder eine neue Erkenntnis: anscheinend kann man es sogar beim Brot backen irgendwie schaffen dass es nach totem Hund schmeckt. Apropos Hund: vermiss meine zwei kleinen! Hatte eigentlich die Hoffnung dass ich heut schon raus komm. Hoffen kann man ja, nur bringen tut es einem nicht viel.
Dienstag, 25.01.2005:
Meine Ergebnisse sind da! Ich komm raus! Wird ein ereignisreicher Tag. Glaub ich. Naja, der Laborbefund ist wirklich da, der Tumor war bösartig. Wow! Welch Erkenntnis! Davon bin ich ausgegangen, wenn sie ihn mir schon rausnehmen. Genaueres erfahr ich erst in ca. einer Woche, wenn weitere Befunde kommen. Nerv!!! Na wenigstens komm ich Vormittag raus. Dachte ich zumindest! Mir muss noch Blut abgenommen werden, Röntgen, Ultraschall, hatt ja die letzten Tage keine Zeit für solche Scherze, musst schließlich dumm rumliegen. Nerv! Nerv! Aber am frühen Nachmittag kann ich endgültig raus – endlich! Abends dann gleich in die Galerie, ist für mich eh so was wie zu Hause. Jetzt wird auch das Zittern wieder weniger (Entzugserscheinungen!) ICH LEBE NOCH!
Mittwoch, 26.01.2005:
Hab um 10.00 Uhr einen Termin in Freyung zur CT. Hab schiss vor dem Ergebnis, aber es hilft ja eh nix. Wenigstens bin ich zum Mittagessen wieder zu hause. Denkste! Muss erst mal zwei Stunden lang Kontrastmittel trinken. Eineinhalb Liter von dem Zeug, schmeckt zwar nicht besonders aber ist auch nicht so dass es Brechreiz auslösen würde. Also runter mit dem Zeug. Die Zeit vergeht dann sogar relativ schnell, keine Ahnung warum aber das ist mir in dem Moment auch egal. Lieg also in der komischen Röhre und bekomm noch mal ein Kontrastmittel gespritzt, was hab ich eigentlich die ganze Zeit getrunken? Dafür dauert die CT selber nicht lang. Den ersten Durchlauf hab ich geschafft, also auf zum zweiten. Bekomm schon wieder ein Kontrastmittel gespritzt. Langsam kann ich im dunkeln lesen so wie ich leuchten muss. Kurz drauf sitz ich schon wieder und warte auf meine Ergebnisse. Es dauert ewig. Aber auf das was der Doc dann zu meiner Mum und mir sagt wartet man gern mal länger: KEINE Metastasen, weder in der Lunge, noch im Bauchraum, sämtliche Organe sowie die Lymphknoten unauffällig. Die erste gute Nachricht seit einer Woche.
Zu Hause angekommen warten meine zwei Omas schon aufs Ergebnis und sind natürlich auch überglücklich. Der Rest des Tages besteht aus telefonieren und schreiben und jedem der es wissen will (oder auch nicht) die gute Nachricht erzählen.
Donnerstag, 27.01.2005:
Donnerstag ist langweilig. Bin den ganzen Tag zu Hause und langweil mich. Vulcano darf ich sowieso nicht, nerv!
Freitag, 28.01.2005:
Das wird ein anstrengender Tag: um halb sechs kommen erste und zweite Mannschaft vorbei, angeblich 12 - 15 Leute und danach in die Galerie. Der erste kommt dann auch schon um fünf und gehört weder zur ersten noch zur zweiten, aber egal ich bin ja nicht so, der Reitberger darf auch eine mittrinken. So zwischen halb sechs und sechs trudeln sie dann alle ein, nur dass es nicht 12 bis 15 werden, sondern 18 bis 22. Gut dass meine Mum genug Bier eingekauft und viel zu Essen gerichtet hat.
Jetzt kommen erst mal vier langweilige und vor allem nervige Wochen.
Vier Wochen in denen bis auf diverse Besprechungen mit dem Arzt und einem Tag in Regensburg zur Kryotherapie nicht viel passiert. Äh, hallo, ich hab Krebs, will da nicht mal jemand was dagegen tun???
Sonntag, der ist der einzig spannende Tag in den vier Wochen. Weggehen darf ich ja nicht, da freut man sich schon wenn man nur mal zu nem Arztbesuch aus dem Haus kommt. Und dann noch nach Regensburg!
Man ist das da oben eine Prozedur: erst Besprechung mit der Frau Doktor, dann einen vier Seiten langen Vertrag unterschreiben, einen höheren dreistelligen Betrag bezahlen (Kasse zahlt natürlich nicht!) und dann darf ich endlich mein „Produkt“ abliefern. Aber selbst das ist schwieriger als gedacht. Wichsen zu Hause ist kein Problem, aber beim Arzt, wenn man weiß die Helferin wartet draußen bis man endlich fertig ist und man ja eigentlich jetzt im Moment gar keine Lust hat zu Wichsen, ist dann schon nicht mehr so einfach. Aber dank einiger ausliegender Pornoheftchen lies sich auch dieses Problem lösen.
Komisches Gefühl ist das schon wenn man wieder fährt. Die haben jetzt über 4 Millionen tiefgekühlte Spermien von mir! Über vier Millionen ganz ganz kleine Tobis die ganz ganz stark friert.
Sonntag, 27. Februar 2005:
ES GEHT LOS!!! Chemotherapie! Scheiße!
Sonntag ist noch kein Stress, bekomm einen ZVK, einen Schlauch in die Halsvene über den ich dann später mein Gift bekomm. Kurze Narkose, ich hab nix gespürt. Der Rest ist warten auf morgen.
Montag, 28. Februar 2005:
Um 4 Uhr früh bekomm ich das erste Mittel gegen Übelkeit, danach schlaf ich weiter. Richtig los gehts erst um acht. Etoposit und Bleomycin, kenn ich zwar nicht wird mir aber nicht gut tun. Dazwischen 6 Liter Ringerlösung über den Tag verteilt, hab das Gefühl ich müsst alle drei Minuten schiffen! Mittags geht’s mir immer noch gut, sogar das Mittagessen schmeckt noch. Seltsam. Um halb eins gibt’s Cis-Platin und jetzt merk ich auch dass ich Chemo mach. Im Nachhinein war Mittagessen doch nicht so gut. Vor allem hats nichts gebracht, kommt ja gleich wieder raus. Den Rest des Tages verbring ich mit schlafen und kotzen. Toller Tag! Auf die nächsten 9!

Dienstag 1. März bis Samstag 5. März 2005:
Die nächsten Tage hab ich immer dasselbe Programm, nur dass ich es immer besser vertrag. Das Essen hab ich mir gänzlich abgewöhnt, kommt ja eh nur wieder, außerdem schmeckt eh nichts nach dem was es eigentlich ist. Dafür ist mir aber auch nicht mehr so schlecht den ganzen Tag. Überhaupt gewöhn ich mir komische Sachen an: täglich 2 Stunden Mittagsschlaf (hä???) und nix Essen. Am Ende der Woche hab ich in den letzten sechs Tagen mich von einer halben Packung Salzstangen ernährt und 5 Kilo abgenommen. Aber ich habs geschafft! Ich darf die nächsten zwei Wochen wieder heim.
Sonntag 6. März bis Freitag 11. März 2005:
Bin wieder daheim, bin wieder gelangweilt. Mir geht’s immer noch nicht wirklich gut, vor allem Montags weil ich da eine einzelne Chemospritze bekomm, aber die haut rein! Weggehen darf ich auch nicht, also sitz ich daheim und erfreu mich über eintrudelnde Besuche.
Samstag, 12. März 2005:
Ich darf nicht weg, also müssen die anderen zu mir! Hab ca. 15 Freunde zu mir heim eingeladen, Bier kaufen lassen (darf ja nicht raus!) und meine Mum kocht schon den ganzen Tag wie ein Weltmeister. Wird ein richtig geiler Abend, bis auf eine Kleinigkeit. Es ist schon 2 Uhr früh als ich mir mit der Hand durch die Haare fahre und diese dann büschelweise in eben besagter halte! Haarausfall!
Die Chemo scheint zu wirken. Aber so nicht! Nicht mit mir! Meine Haare machen sich nicht so einfach aus dem Staub, wenn dann rasier ich sie. Gesagt, getan. Einen Tag später sind sie weg, jetzt hab ich ne Glatzte. Sieht komisch aus, ungewohnt, aber was solls.
Sonntag, 20. März 2005:
Es geht weiter! 2. Zyklus. Das ganze noch mal von vorn. Noch mal 6 Tage Krankenhaus, noch mal ZVK, noch mal schlafen-kotzen-schlafen-kotzen, noch mal 4 Kilo weniger. Genauso wird’s auch! Wieder nicht schön aber zum Glück wieder erträglich. Wieder 2 Tagebeschissen, die anderen ganz ok. Und auch wieder relativ wenig Besuch aber darum bin ich gar nicht böse, hab während da Chemo eh am liebsten meine Ruhe. Am Samstag, 26. März 2005 ist wieder alles vorbei, ich darf heim! Für immer! Muss nicht wieder ins Krankenhaus! Das hab ich geschafft.
Ostermontag, 27. März 2005 bis heute:
Ich habs geschafft! Die letzten zwei Montage an denen ich Chemotherapeutika gespritzt bekommen hab sind vorbei. Ich bin auf dem Weg der Besserung, noch schwach zwar aber es wird. Die geilste Nachricht überhaupt bekomm ich am Montag, den 11 April 2005: Tumormarker sind wieder normal, ich bin gesund. GESUND!!! Donnerstag drauf geh ich das erste mal wieder ins Vulcano, ich freu mich wie ein kleines Kind. Das Leben ist so geil und endlich darf ich wieder Leben!

Ich habs geschafft aber allein hätt ich das nie! Deshalb will ich mich hier auch bei einigen Leuten bedanken auf die ich mich immer verlassen konnte und die in der Zeit immer für mich da waren:
Zuerst natürlich dem Team auf der Urologie in Grafenau, best Pfleger und Schwestern ever (gell Nina!) und der Soundgalerie Grafenau, allen!!!, die einen waren öfter da, die anderen seltener aber ich konnt mich immer auf euch verlassen, DANKE!


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